Ein Land voller Genies
Dario Amodei, CEO von Anthropic, hat in seinem Essay „Machines of Loving Grace“ eine faszinierende Beschreibung geliefert. Er nennt die kommende AGI ein „Land aus Genies in einem Datenzentrum“. Diese „Powerful AI“ könnte seiner Einschätzung nach schon 2026 Realität werden.
Was bedeutet das konkret? Wir sprechen von einer Intelligenz, die in Biologie, Programmierung, Mathematik und praktisch allen anderen Bereichen klüger ist als jeder Nobelpreisträger. Sie kann ungelöste mathematische Theoreme beweisen, hervorragende Romane schreiben und komplexe Codebasen von Grund auf erstellen.
Diese KI hätte Zugang zu allen digitalen Schnittstellen: Text, Audio, Video, Internetkontrolle. Sie beantwortet nicht nur Fragen, sondern übernimmt eigenständig Aufgaben, die Stunden, Tage oder Wochen dauern. Wie ein hochintelligenter Mitarbeiter – nur dass die KI mit 10- bis 100-facher menschlicher Geschwindigkeit arbeitet.
Das Revolutionäre: Diese Intelligenz kann sich millionenfach vervielfältigen. Jede Kopie arbeitet unabhängig oder kooperiert bei Bedarf. Verschiedene Versionen spezialisieren sich auf unterschiedliche Aufgaben. Es ist buchstäblich wie ein ganzes Land voller Spitzenforscher in einem Rechenzentrum.
Die medizinische Revolution des komprimierten Jahrhunderts
Besonders eindrücklich sind Amodeis Prognosen für die Medizin. Er spricht vom „komprimierten 21. Jahrhundert“: Die Fortschritte, die menschliche Biologen in 50 bis 100 Jahren erzielt hätten, könnten in nur 5 bis 10 Jahren erreicht werden.
Wie soll das funktionieren? Die virtuellen Forscher tauschen sich nicht über Sprache mit mageren 100 Bit pro Satz aus, sondern über Trillionen-Bit-Verbindungen. Diese Wissensvernetzung ermöglicht exponentiellen Fortschritt. Millionen von Wirkstoffkandidaten werden virtuell getestet. Roboter in automatisierten Laboren führen unermüdlich Experimente durch. Die Kombination von Daten aus Genomik, klinischen Studien und Umweltfaktoren enthüllt Muster, die Menschen niemals erkennen würden.
Es geht dabei nicht nur um Krebs oder Alzheimer. Die Erforschung biologischer Gehirnzellen und der Vergleich mit digitalen neuronalen Netzwerken könnte auch psychische Erkrankungen heilbar machen. Amodei spekuliert sogar über die Verstärkung positiver mentaler Zustände: Mehr Momente der kreativen Inspiration, des Mitgefühls, der Erfüllung könnten zum Alltag werden.
Klimawandel und der Traum vom Supraleiter
Demis Hassabis von Google DeepMind berichtet stolz, dass KI bereits zwei Millionen stabile neue Materialien durch Simulationen entdeckt hat. Diese könnten für Raumtemperatur-Supraleiter getestet werden – den heiligen Gral der Energiewende.
Ein Supraleiter bei Raumtemperatur würde alles ändern. Solarstrom könnte verlustfrei aus den Wüsten in alle Regionen der Welt geleitet werden. Die Autoren unseres Papers beschreiben, wie eine AGI zahlreiche potenzielle Supraleitermaterialien simulieren und vielversprechende Kandidaten identifizieren könnte. In Roboterlaboren würden diese dann synthetisiert und getestet.
Leben mit 150 Jahren und Grundeinkommen
Die Versprechen gehen noch weiter. Mit Intelligenz als nahezu kostenlosem Produktionsfaktor würden die Kosten für fast alles drastisch sinken. KI-Hausärzte, die 100 Millionen Patientenakten studiert haben und den Gencode ihrer Patienten kennen, stellen wesentlich bessere Diagnosen. KI-Lehrkräfte fungieren als individuelle Coaches, die gezielt auf spezifische Lernschwächen eingehen.
Menschen könnten mit einem Grundeinkommen und einer Lebenserwartung von 150 Jahren fast alle durch KI verbilligten Produkte und Dienstleistungen genießen. Nur nicht skalierbare Dinge wie originale Kunstwerke oder Wohnungen in besonders begehrten Lagen blieben teuer.
Die Schattenseite der Versprechen
Unser Forschungspapier zeigt allerdings auch: Diese Heilsversprechen sind es, die das gefährliche Wettrüsten antreiben. Altman, Musk, Hassabis und andere malen ein Schlaraffenland an die Wand, in dem alle Probleme der Menschheit lösbar sind. Sogar die großen ungelösten Fragen der Physik, etwa die Vereinigung von Quantenmechanik und Relativitätstheorie, sollen geklärt werden.
Doch genau diese grandiosen Versprechen machen blind für die Risiken. Wer will schon der Spielverderber sein, der die Heilung aller Krankheiten verhindert? Der Wettstreit um die AGI, so warnt unser Paper, kann durch diese Verlockungen leicht die Vorsicht vergessen lassen.
Realität oder Größenwahn?
Sind diese Versprechen realistisch? Die im Paper zitierten Experten sind sich zumindest über die Möglichkeit einig. Eine AGI, die sich beliebig vervielfältigen und mit übermenschlicher Geschwindigkeit forschen kann, wäre tatsächlich zu revolutionären Durchbrüchen fähig.
Aber der Weg dorthin ist unsicher. Und wie unsere vorherigen Analysen zeigten, könnte genau diese Macht in den falschen Händen oder ohne ausreichende Kontrolle zur existenziellen Bedrohung werden.
Die Vision vom „Land der Genies im Rechenzentrum“ ist verlockend. Doch ob wir das Paradies oder die Hölle erschaffen, hängt davon ab, wie wir diese Reise gestalten. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Menschheit weise genug ist, diese gottgleiche Macht verantwortungsvoll zu entwickeln. Alleine der tatsächliche Bau eines solchen Datacenters bringt eine Reihe von neuen Unsicherheiten und Herausforderungen mit sich, wie unter anderem in einem Video zum Bau eines großen Stargate-Rechenzentrums ausgeführt wird.
Im weiteren Verlauf dieser Serie bewerten wir diese Versprechen kritisch:
- Wie realistisch ist das prognostizierte Entwicklungstempo?
- Welche technologischen Hürden ignorieren die Optimisten?
- Was sagen führende Skeptiker zu diesen Zeitplänen?
Bei SemanticEdge beobachten wir diese Entwicklungen genau. Als Pionier von Conversational AI kennen wir sowohl die Potenziale als auch die Risiken fortschrittlicher KI-Systeme. SemanticEdge steht für eine sichere und transparente Conversational AI über das Zusammenspiel der generativer KI mit einer zweiten ausdruckstarken regelbasierten Intelligenz, die das Risiko von Halluzinationen und Alignement Faking minimiert. Abonnieren Sie unseren Newsletter für weitere Analysen aus unserem Forschungspapier.